Geht’s noch? Jetzt lässt sich Oma die Haare rot färben und die Fingernägel lackieren!

Rote Haare. Nagellack. Wieviel Farbe verträgt Demenz
Rote Haare. Nagellack. Wieviel Farbe verträgt Demenz

Rote Haare. Nagellack. Und das in DEM Alter! Wieviel Farbe verträgt eigentlich Demenz?!

Haare färben oder nicht? Fingernägel lackieren ja oder nein? Das sind – betrachtet man ältere Menschen mit Demenz – zwei Fragen, die doch tatsächlich „die Gesellschaft spalten“. Die einen behaupten, man darf alten Damen die Identität nicht nehmen – die anderen sagen, macht die alten Weiber doch nicht lächerlich.

Rote Haare. Nagellack

 

Ein Gastbeitrag von Brita Wellnitz, Fachfrau für Demenz

Und so stelle ich zur Diskussion:

Ist die Frage der gefärbten Haare und lackierten Fingernägel überhaupt eine Frage, die sich Frauen über 80 noch stellen dürfen? Und wenn nein – dürfen das dann die Betreuer? Die Töchter? Die Pflegekräfte?

Welche Frage gilt es tatsächlich zu beantworten? Ist die neue Eleganz nicht die, zu seinem ergrauten Haar zu stehen, eine Stimmigkeit zwischen Gesicht (mit Falten!) und Frisur (jaaa, lange graue Haare) zu betonen? Natürlich ist es eine Frage des persönlichen Stils. Aber haben Ü-80-Jährige – und dann auch noch Menschen mit Demenz – noch Verständnis für „ihren Style“? Steht man zu den grauen Haaren oder kämpft man dagegen an? Hat man die Geduld, abzuwarten, bis wirklich der ganze Kopf ergraut ist oder “schummelt“ man bis dahin?


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Sind das überhaupt die Fragen der Hochbetagten? Oder sind das nicht eher die Fragen der Ü-50-Töchter und -Schwiegertöchter?

Ich sage: “Die Antwort auf diese Fragen spielt überhaupt gar keine Rolle”.

Ich möchte aus meiner Erfahrung mit sehr alten und dementen Damen erzählen, deren „Wunscherfüller“ wir von Berufs wegen sind.

So verstehen wir Alltagsbegleiter unsere Arbeit in der Wohngemeinschaft. Wir erfüllen unseren hochbetagten Bewohnern ihre (letzten) Wünsche, sorgen für deren persönliches und menschliches Wohlbefinden, lachen und leben mit ihnen jeden einzelnen der letzten Tage ihres unglaublichen Lebens.

Die Antwort spielt keine Rolle? Ja warum denn nicht?

Weil es um Emotionen geht: Entweder sind unsere alten Mitmenschen selbstbestimmt. Dann fragen wir: „Möchtest du deine Harre (wieder) gefärbt bekommen?“ und sie werden uns antworten.

Oder sie sind nicht selbstbestimmt, dann antworten die Töchter, Söhne, Schwiegertöchter, so wie sie es für richtig halten, so, wie sie selbst darüber denken. Die allerwenigsten Töchter und Schwiegertöchter antworten für ihr Familienmitglied, die allermeisten antworten mit Gedanken, die sie für sich selbst entwerfen, so wie sie selbst empfinden.

Für viele stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob ein dementer Mensch überhaupt „selbstbestimmt“ antworten kann. Aber natürlich! Die alte Frau (mit Demenz!) antwortet – sofern sie noch sprechen kann – ganz sicher selbstbestimmt! Tatsächlich, das gibt es. Und zwar auf diese hier diskutierte Frage hin fast ausnahmslos!


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Denn die Entscheidung über die eigene Haarfarbe erfordert keine besondere Kognition. Sie ist keine der Fragen aus dem Mini-Mental-Status Test (MMST), keine der Fragen des DemTect, kein „Uhrentest“, kein TFDD, kein Syndrom Kurztest (SKT), sondern ganz einfach die Frage nach einer neuen (oder alten), frischen Haarfarbe, ja oder nein.

Eine Frau mit einem 12-er MMST kann sagen, sie will kastanienbraunes Haar haben. Auch, wenn sie nicht weiß, ob Sommer oder Dezember ist, ob es 12 Uhr ist und ob sie drei Söhne oder zwei Töchter hat. Aber sie weiß, sie möchte keinen grauen Haaransatz haben. Und warum auch nicht?!

Und wissen Sie was, ich habe in meiner über 10-jährigen Berufserfahrung immer eine klare, normale Antwort bekommen. Immer hatten diese Frauen eine Meinung dazu:

  • „Nein, ich möchte das nicht, das ist was für Jüngere.“
  • „Nein, ich habe doch noch nie gefärbt.“
  • „Nein, jetzt gerade nicht, vielleicht das nächste Mal.“

Oder aber auch:

  • „Ja, das möchte ich gern!“
  • „Das habe ich mir schon iiiiimmer gewünscht!“
  • „Natürlich, ich möchte doch (immer noch) schön aussehen!“
  • „Ja wie sonst soll ich dem Herrgott entgegentreten.“

Ich habe mehrere hochbetagte Frauen in Ihrem „alt-und-verrückt-werden“ begleitet. Jede, ausnahmslos jede, hatte eine klare Meinung.

Sowohl zum Haare färben, als auch ebenso zum Nagellack und dessen Farbe. Es gab die Damen, die sehr gern eine dezente Farbe haben wollten. Es gab aber auch Damen, die jetzt endlich mal knallrot wollten. Weil sie es nie durften, weil es schon immer ein Traum von ihnen war. Weil es ihnen jetzt niemand verbieten konnte.

Zitat einer Bewohnerin am Rande: „Haben wir noch Corona und Lockdown? Dann nehme ich dieses hocherotische dunkelrot. Ich liebe es! Meine Tochter darf es nicht sehen. Niemals durfte ich so einen Nagellack haben. Der galt als pervers, nuttig … Wir müssen es wieder weg machen. Meine Tochter darf mich mit diesem schönen Nagellack nicht sehen.“

Sie glauben gar nicht, wie viele Töchter ich kenne, die erstaunt sind darüber, dass ihre Mutter Nagellack liebt. Aber im gleichen Atemzug wird gesagt: „Naja, dieser pfirsichfarbene Pastelllack, der geht ja … ganz hübsch …“


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Wissen eigentlich alle Kinder und Schwiegerkinder, welcher Nagellack 1950 „in“ war? Welcher als besonders „chic“ galt? Welchen man sich leisten konnte? Nun, ich weiß es …. Inzwischen …

Liebe Angehörige von hochbetagten Frauen, ich wünsche mir, Sie gehen mit Ihren (Schwieger-)Muttis genauso locker um, wie mit Ihren pubertierenden Kindern. Lassen Sie – hier in diesem besonderen Fall – auch manchmal die letzten Träume wahr werden. Denn das ist Liebe!

Haben Sie den Mut zu diesem letzten Zeichen von Akzeptanz, Toleranz ….. und von Liebe! Und mal ehrlich, ist dunkelroter Nagellack nicht tatsächlich einfach wunder- wunderschön?

Es gibt nicht viel, was hochbetagte Menschen, noch dazu mit Demenz, noch genießen können. Lassen Sie das Wenige zu. Es ist wirklich nichts im Vergleich zu den „wichtigen“ Dingen im Leben.

Ihre Brita Wellnitz

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